1. Was Entscheiden so schwer macht
Ich blicke auf die vielen Entscheidungen des letzten Jahres zurück und frage mich, warum mich das Jahr so viel gekostet hat? Dann fällt mir auf, was an diesen Entscheidungen anders war als zuvor. Vielleicht kennst du das ja auch:
- Anzahl – ich musste viel mehr Entscheidungen treffen als je zuvor.
- Qualität – die Entscheidungen waren oft von grundsätzlicher Natur und nicht nur die Entscheidung zwischen gleichwertigen Optionen (z.B. Liederauswahl).
- Ambiguität – viele Entscheidungen mussten in einem unklaren Kontext getroffen werden. Entweder war die Faktenlage oder die Auswirkungen der Entscheidung unklar.
- Geschwindigkeit – das Tempo und die Dringlichkeit der Entscheidungen waren höher als je zuvor.
- Kontroverse – noch nie musste ich in einem Kontext entscheiden, bei dem so viele unterschiedliche Meinungen vorherrschen.
Ressource: Wille
Gott hat uns mit einem freien Willen ausgestattet. Wir dürfen und wir müssen entscheiden und werden dafür auch zur Rechenschaft gezogen. Allerdings steht uns die Willenskraft nicht unendlich zur Verfügung.
Natürlich gibt es da charakterliche Unterschiede. Der eine ist willensstark und vorwärtsstrebend – oder auch einfach nur stur. Der andere eher unentschlossen und zögerlich. Der Wille ist irgendwie wie ein Muskel, und Muskel können ermüden.
Jede Entscheidung, die wir treffen, zapft unserer Ressource “Willenskraft” etwas ab. Die Entscheidungen werden mit der Zeit weniger rational, impulsiver, ja fragwürdiger. Es geht immer mehr um das kurzfristige Resultat anstatt um langfristige Perspektiven.
Psychologen raten
Angesichts dieser Menschlichkeit, der wir ja alle unterliegen, raten Psychologen auf bestimmte Weise mit Entscheidungen umzugehen.
- Wir dürfen einsehen, dass wir sowieso nicht immer rein rational entscheiden. Das kann schon mal den Druck etwas herausnehmen, immer alles berechnen zu müssen.
- Wichtiges am Morgen entscheiden. Nach der Nachtruhe sind unsere Kräfte und Ressourcen am frischesten.
- Wir dürfen Entscheidungen verschieben. Manchmal müssen wichtige und weitreichende Entscheidungen getroffen werden. Da dürfen wir es uns herausnehmen, diese auch zu einem Zeitpunkt treffen, wo wir in der Lage dazu sind, langfristig zu denken.
- Wenn die Zeit drängt, empfiehlt es sich, eine kurze Pause zu machen und einen kleinen Snack zu sich zu nehmen. Sich kurz aus der Entscheidungssituation herausnehmen und etwas Zucker ins Blut bringen, kann schon viel helfen.
- Entscheidungen reduzieren. Wenn wir entscheidungsmüde werden, ist es an der Zeit zu prüfen, ob zu viele Fäden bei uns zusammenlaufen. Welche Entscheidung muss ich unbedingt selber treffen und wo darf ruhig jemand anderes die Verantwortung übernehmen?
2. Was mir half
Im letzten Jahr hätten mir diese Tipps gut geholfen. Allerdings wusste ich da noch nichts von dem Phänomen der Entscheidungsmüdigkeit. Nun habe ich es doch „überlebt“, und hier sind drei Aspekte, die mich durchgetragen haben. Vielleicht ist ja auch ein Impuls für dich dabei.
Team
Im vergangenen Jahr habe ich mehr denn je das Ältesten- und Mitarbeiterteam schätzen gelernt. Wir mussten viel gemeinsam entscheiden. Haben kontrovers diskutiert. Doch wie herrlich war das Gefühl, wenn wir dann zur Einheit zusammenfanden.
Jeder von uns hatte seine „Trockenphase“ im letzten Jahr, und Gott sei Dank, nicht alle zur gleichen Zeit. Ich habe erlebt, was Salomo meint „zwei sind besser daran als ein Einzelner …, denn wenn sie fallen, so richtet der eine seinen Gefährten auf.“
Mein Tipp wäre also darüber nachzudenken, mit wem du die Entscheidungen gemeinsam fällen musst, kannst und darfst. Gerade im Gemeindedienst sind wir nie die alleinigen Verantwortungsträger.
Strategie
Die zweite Überlebenshilfe war, dass wir uns eine grundsätzliche Strategie zum Umgang mit der Corona-Situation überlegt hatten. Viele kleine und schnelle Entscheidungen fielen uns leichter zu treffen, weil wir sie an der grundsätzlichen Strategie messen konnten.
Mich erinnert das an ein Bild, das Jesus uns für den Dienst hinterlassen hat. „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ In konfusen Situationen wie der jetzigen ist es leicht, das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren.
Eine Strategie für das grundsätzliche Vorgehen hat uns geholfen, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und die „Furchen“ so gerade wie möglich zu ziehen.
Delegieren
Schließlich habe ich mehr denn je gelernt, mich selbst von manchen Entscheidungen zu entbinden. Nur weil ich etwas entscheiden könnte, heißt das nicht, dass ich es auch sollte.
Ich habe ein Team von geistlichen Männern und Frauen um mich. Was für eine Chance, sie jetzt in ihrer Leiterschaft für ihre Bereiche zu stärken.
Es war wichtig, unsere grundsätzliche Linie klar zu vermitteln, aber dann den einzelnen Bereichen doch die Freiheit zu lassen, für sich selbst konkret zu entscheiden, wie diese Linie umgesetzt wird. Ich musste dann nicht mehr an jeden Einzelfall denken. Das hat die Flut an möglichen Entscheidungen sehr stark eingedämmt.
3. Die wichtigste tägliche Entscheidung
„Danken schützt vor Wanken und Loben zieht nach oben.“ Wer kennt diesen Spruch nicht? Ich bin fast versucht, ihn wieder zu löschen … aber lebe ich wirklich nach diesem Prinzip?
Der Psalmist sagt: „Ich will dem Herrn singen alle Zeit, sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein.“
Das „alle Zeit … immerdar“ spricht mich direkt an. Das hätte die Überlebensstrategie für mein letztes Jahr sein können. War sie ehrlich gesagt aber nicht.
Ich hielt mich an Verantwortungsbewusstsein und Zielorientierung fest. Was mir rückblickend fehlte, war das beständige Lob Gottes in jeder Situation … besonders in Entscheidungen.
„Ich will dem Herrn singen alle Zeit!“
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