Es mag den einen oder anderen verwundern, aber gesungener Lobpreis war nicht von Anfang an Teil der Anbetung Gottes. Jedenfalls nicht in strukturierten und organisierten Gottesdiensten. Wie kam es also dazu, dass wir heute wie selbstverständlich Gott im Lied loben?
Gottesdienst ohne Musik
Es ist schon bemerkenswert. Nach der Errichtung der Stiftshütte und des dazugehörigen Gottesdienstsystems durch Mose, wird viele Jahrhunderte lang praktisch keine Musik im öffentlichen Gottesdienst Israels erwähnt.
Die einzige Ausnahme ist Numeri 10,10, wo die Anweisung gegeben wird, dass Trompeten „über“ die Opfer geblasen werden sollen, „auch am Tag eurer Freude und an euren festgesetzten Festen und am Anfang eurer Monate“.
Aber was die Lobgesänge betrifft, so finden wir nur die Lieder von Mose und Miriam nach dem Durchzug durch das Rote Meer (Exodus 15) und das Siegeslied von Debora und Barak in Richter 5. Der Gottesdienst in der Stiftshütte scheint ohne musikalischen Lobpreis praktiziert worden zu sein.
Lobpreis zieht ein
Diese Situation ändert sich drastisch und dramatisch mit König David. Er etablierte Jerusalem als die politische und religiöse Hauptstadt Israels.
Die Stiftshütte und die Bundeslade waren nicht mehr, stationäre, feste Kultstätten. Interessanterweise lässt David die mosaische Stiftshütte selbst in Gibeon (1. Chronik 16:39-43), und bringt die Bundeslade in einer neu errichteten Stiftshütte in Jerusalem (1. Chronik 15,1).
Die Opfer werden (nur) in Gibeon vollzogen, und es gibt dort auch musikalische Anbetung (1. Chronik 16,40-42). Jerusalem jedoch wird das doxologische Zentrum der Nation. Hier werden sowohl die täglichen Lobpreisungen als auch die Feste gefeiert.
Neue Formen für die Feste
David bereichert die Feiern des Volkes mit einer gewaltigen Überarbeitung der Praxis des öffentlichen Gottesdienstes. Vor allem beruft er Reihen von Leviten als vollzeitliche musikalische Diener, als Sänger und als Instrumentalisten, in den Dienst des Volksgottesdienstes.
Siehe insbesondere die Kapitel 15, 16, 23 und 25 von 1 Chronik für Beschreibungen dieser Entwicklungen.
Die Organisation der Musik im Gottesdienst wurde sicherlich von dem Frieden begünstigt, den Davids militärische Siege und die Besiedlung Jerusalems mit sich brachten. Die Ausbildung von Musikern wäre in Kriegszeiten in dieser Weise schwieriger gewesen.
Auswirkungen bis heute
Peter Leithart hat ein faszinierendes kleines Buch mit dem Titel From Silence to Song (Vom Schweigen zum Gesang) geschrieben, das den passenden Untertitel The Davidic Liturgical Revolution (Die davidische liturgische Revolution) trägt.
David, der selbst ein Musiker war, führte eine revolutionäre Überarbeitung der Art und Weise ein, wie das jüdische Volk den Gottesdienst gestaltete.
In seinem Buch legt Leithart die Großartigkeit der davidischen Gottesdienstreformen und ihre enormen Auswirkungen dar. Diese Veränderten nicht nur den Gottesdienst in Israel, sondern sie wirken in der Kirche bis in unsere Tage hinein.
a) Öffentlicher Lobpreis
Denn, wie Leithart betont, „wenn Christen im Gottesdienst Hymnen und Psalmen singen, wenn wir Orgeln oder Klaviere, Gitarren oder Trompeten spielen, sind wir Erben von Davids ‚liturgischer Revolution’“ (S. 15).
David machte den öffentlichen musikalischen Lobpreis zu einem Kernstück der gemeinsamen Anbetung des Volkes Gottes in einer Weise, die auch heute noch in unseren Kirchen fortbesteht.
b) Göttliche Offenbarung
Was gab David das Recht, die mosaischen Richtlinien für den Gottesdienst Israels zu überarbeiten und zu erweitern?
Leithart zeigt anhand von 1. Chronik 28,13.19 und 2. Chronik 29,25, dass David offenbar eine Art Offenbarung des Herrn in diesem Sinne erhalten hat. Seine expansive Neufassung des mosaischen Systems war also göttlich inspiriert und sanktioniert war.
c) Rollenwechsel der Leviten
Leithart liefert auch gute Argumente für den Rollenwechsel der Leviten unter Davids Reformen. Eine der Hauptaufgaben, die Mose ihnen zugewiesen hatte, darin bestand, die Lade „hochzuheben“ und zu tragen (Numeri 4,15; Deuteronomium 10,8). Diese Aufgabe war nun nicht mehr nötig, weil die Lade nun eine feste Einrichtung war.
Daher wandelt sich ihre Rolle nun zu einer des „Hochhebens“ des Herrn in Gesang und Lobpreis. Der „Dienst“ in der Stiftshütte, den sie verrichten sollten (Deuteronomium 10,8; von Musik ist im Deuteronomium überhaupt nicht die Rede), hat nun eine große musikalische Komponente (1. Chronik 16,4-43).
David, der „liebliche Psalmist Israels“ (2. Samuel 23,1), hatte somit (über sein eigenes musikalisches Schaffen hinaus, von dem uns viele Texte im Buch der Psalmen erhalten sind) einen weitreichenden und tiefgreifenden Einfluss auf das Lied des Bundesvolkes Gottes und seinen Platz im öffentlichen Gottesdienst.
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